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Hooligans
Die dunkle Seite des Fussballs
TV-Dokumentarfilm 2008
CH
52 min.
HD

„Hooligans“ befasst sich mit der dunklen Seite des Fussballs. Der Film diskutiert Einschätzungen und Hintergründe zu einem Phänomen, welches die populärste Sportart der Welt seit Jahren begleitet.

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Ginger Bob steht in einer anonymen grauen Unterführung irgendwo in London, als ich ihn interviewe. Ginger Bob war während Jahren Anführer der sogenannten „Millwall F-Troop“, einer berüchtigten Hooligan-Gang im Südosten der englischen Hauptstadt. Warum prügeln sich organisierte Gruppen von jungen Männern rund um Fussballspiele? Immer und immer wieder?
„Es ist schwer zu beschreiben. Es ist diese Energie. Energie pur. Du weisst, es ist schlecht. Aber es ist wie eine Sucht. Das Adrenalin schiesst hoch, und du willst den Kontakt mit dem Gegner. Der Kampf zieht dich an wie ein Magnet.“

Für den Film „Hooligans“ wollte ich eigentlich Schweizer Schläger vor die Kamera bekommen. Es war aussichtslos. Obwohl die heimische Hooligan-Szene - nach Höhepunkten in den neunziger Jahren - immer noch um die zweihundert Mann zählt. Diese Zahl nennen Insider bei der Zürcher Stadtpolizei. Vertreter der Zentralstelle für Hooliganismus in Zürich sagen aber auch, das grössere Problem als Hooligans seien heute gewaltbereite Fans in den verschiedenen Kurven der Nationalliga-Klubs, im besonderen Fans der Zürcher Südkurve oder der Basler Muttenzerkurve.

Leute aus der Muttenzerkurve sorgten am 13. Mai 2006 für den schwärzesten Moment im Schweizer Fussball. Der FC Basel verlor die Meisterschaft in letzter Minute. Basler Fans stürmten das Feld. Die Fernsehbilder waren hässlich, die Meinung in den Medien gemacht: die Randalierer im St. Jakob-Park waren Hooligans.
„Nein, das waren nicht Hooligans“, sagt Thomas Gander, Leiter des Fanprojektes Basel, „das waren schockierte junge Fussballfans, die der emotionalen Belastung nicht Stand hielten. Die Situation damals hing mit einer Massendynamik zusammen, die sich aufgrund des späten Gegentors entwickelte.“

Tatsache ist, Fussballspiele bieten jungen Männern Möglichkeiten, die sie im Alltag vermissen: im Stadion leben sie Leidenschaft und Emotionen, spüren Energien, die sehr ursprünglich und wild auftreten.
Jeder Fan kennt dieses Moment des „mit der Masse eins werden“. Ein gutes Spiel liefert dafür die Voraussetzungen. Was aber, wenn die gute Stimmung kippt, die Masse sich plötzlich unberechenbar zu verhalten beginnt?

Die schweizerischen Behörden haben für die kommenden Europameisterschaften das grösste Sicherheitsaufgebot bereitgestellt, das dieses Land zum Schutz eines Anlasses je gekannt hat. Staats- und Sportfunktionäre wollen und müssen alles im Griff haben, auch mögliche Ausschreitungen von Hooligans oder emotional überlasteten Fans.

Der Film „Hooligans“ diskutiert, ob aus der Ecke von Fans oder Hooligans Gefahr für die kommende Euro droht. Der Film fragt aber auch, wie sich Hooliganismus und Fankultur in den letzten dreissig Jahren entwickelt haben. Im Archiv des Schweizer Fernsehen gibt es dazu nur wenige Zeitdokumente. Eines davon ist „Faustrecht“, eine Milieustudie des Dokumentarfilmers Alain Godet aus dem Jahr 1993. Heute ist eine solche Milieustudie aufgrund der Abneigung und der damit verbundenen Verschlossenheit, die die Szene den Medien gegenüber zeigt, kaum mehr möglich.

Immerhin, für „Hooligans“ tritt ein Mann noch einmal auf, der sich in den wilden Neunzigern als „Frosch“ einen Namen machte. Heute ist Frosch ein braver 35-Jähriger, der ein neues Leben führt. Zur Euro 08 meint er: „Am liebsten wäre ich in die Ferien gegangen, weit weg. Ich habe ein mulmiges Gefühl.“

Grundsätzlich pessimistisch gibt sich im Film der deutsche Kultautor André Pilz: „Ich hab das Gefühl, dass die Auseinandersetzungen brutaler werden. In naher Zukunft wird es zu einem richtig grossen Knall kommen.“
Pilz hat als Underdog die Szene während Jahren miterlebt. Seine Erfahrungen veröffentlichte er 2005 im sehr direkten Roman „Weine nicht, mein Schatz“:
„Mittags trafen sich alle in der Bahnhofshalle. Wir verschmolzen zu einer Einheit, obwohl wir völlig verschieden waren. Wir hielten zusammen, obwohl wir aus unterschiedlichen Welten kamen und ganz andere Feinde, Freunde, Träume hatten. Wir waren hier um Dampf abzulassen, den Frust und den Schmerz und die Verzweiflung rauszukotzen, die Gespenster zu vertreiben, die uns zu Tode hetzten, und wir taten es gemeinsam, weil es gemeinsam so viel leichter fiel.“

Crew

Regie: Urs Schnell

Produktion: Schweizer Fernsehen SF

Buch: Urs Schnell

Kamera: Laurent Stoop / Frank Messmer

Schnitt, Sounddesign: Dodo Hunziker

Leitung: Otto C. Honegger / Helen Stehli Pfister

Farbkorrekturen: Lomotion AG

Tonmischung: Hans Gerber

Sprecher: Rainer Zur Linde, Bernd Seebacher

Cast

Ginger  Bob

Roger Berbig

Michel Platini

Andreas Piestowski

André Pilz

Marcel Büchler "Frosch"

Thomas Gander